Selbstgeschriebene Geschichten
Verfasst: Di 7. Sep 2010, 22:21
ich poste mal eine kleine geschichte, die ich aus einer laune heraus geschrieben habe. ich hoffe mal, dass sie gefällt.
Der Einsame Herrscher
„Es war einsam geworden auf dem Thron der Anderwelt, seitdem die Menschheit begonnen hatte, sich von ihren Göttern und Gottesboten abzuwenden. Den letzten Seraphim-Lord hatte der Ewige Herrscher der anderen Welt – des Jenseits – zu sich gerufen, um dem Alptraum der ewigen Einsamkeit zu entrinnen, und der junge Engel war ihm zutiefst dankbar.
Der Herrscher sinnierte traurig über sein Leben, während er sein Spiegelbild auf der Oberfläche des Rotweins betrachtete, der auf dem Tisch im Schein des Feuers schimmerte.
Er war der Älteste von insgesamt vier Brüdern und obwohl er seit dem Anbeginn der Ewigkeit lebte, schien es, als hätte sein Alter mit fünfundzwanzig aufgehört, voranzuschreiten.
Was ihn von seinen Brüdern aber am Meisten unterschied, war die Tatsache, dass er alle Menschen gleich behandelte, denn weder Reichtum, noch Fürbitten Anderer konnten ihn umstimmen, wenn er einmal sein Urteil gefällt hatte. Und das Urteil war immer das Gleiche.
Im Laufe der Äonen wurden seine Brüder ihm und den Menschen immer verhasster und obwohl die Menschheit den Herrscher fürchtete und ewig fürchten wird, gab es doch einige Menschen, die ihm und seinem Urteil mit Freuden entgegensahen, ja ihn sogar willentlich herbeiriefen.“ Der alte Jededaya holte tief Luft und wollte gerade weitererzählen, als eines der Kinder vor ihm die Hand hob.
Der Alte nickte dem kleinen, chinesischen Mädchen zu. „Hatte der Herrscher denn keine Familie? Keine Kinder?“, fragte sie. „Er ist doch alt genug, oder?“
Jededaya hatte während der Frage einen Vogel draußen auf dem Fenstersims beobachtet und lachte nun kurz auf. „Du musst Ming Xhiao sein.“, sagte er. „Deine Mutter hat mich auf solche Fragen deinerseits schon vorbereitet.“ Er zwinkerte ihr hinter den Gläsern seiner rechteckigen Brille zu, bevor er fortfuhr.
„Nun“, sagte er, „der Herrscher hatte tatsächlich eine Tochter; eine junge Frau, die nicht viel jünger wirkte, als ihr Vater. Sie berührt die Herzen der Menschen, nachdem ihr Vater sein Urteil gefällt hat.“
Ein kleiner Junge, der ganz hinten in der Gruppe saß, stand auf, damit Jededaya ihn sehen konnte. „Meister Jededaya“, sagte der Junge. „Was sind das für Menschen, die der Herrscher verurteilt?“
Der Alte nahm seine Brille ab und polierte die Gläser mit dem Einstecktuch seines Jacketts. „Diese Frage ist schnell beantwortet: Es trifft Jeden; mich, meine Kinder und irgendwann in der Zukunft wird er auch euch holen.“
Ein Mädchen brach in Tränen aus und Jededaya war klar, dass diese Antwort für Kinder zwischen fünf und sieben Jahren etwas zu hart gewesen sein mochte. Er erhob sich aus seinem Schaukelstuhl und ging auf das Mädchen zu. Er nahm es auf den Arm und musste kurz nach den richtigen Worten suchen.
„Du musst keine Angst haben, Yashodara.“, sagte der Alte ruhig. „Bis es soweit ist, vergehen noch viele, viele Jahre und auch, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wird er dir nichts Böses tun. Er nimmt dich mit in seine Welt.“
Das kleine Mädchen beruhigte sich, und so setzte Jededaya sie wieder ab. Er kehrte in seinen Schaukelstuhl zurück, wo er einen Augenblick nachdachte.
„Wie gesagt“, fuhr er mit rauer Stimme fort, „wen die Menschen wirklich hassten, waren seine drei Brüder, die sich inzwischen selbst zu Hohen Fürsten der Anderwelt erhoben hatten.
Auch der Herrscher war nicht gut auf seine Brüder zu sprechen, denn wann immer das Trio der Fürsten – ob nun zusammen, oder jeder allein – seine Macht in der Menschenwelt walten ließ, war es der Herrscher, der ihnen folgen musste, um das Leiden der Menschen zu beenden.“
Wieder stand der Junge auf, der schon einmal eine Frage gestellt hatte: „Meister Jededaya, erlaubt ihr mir die Frage, welches Aussehen der Herrscher hat?“
Der Alte senkte den Kopf. „Mika, Mika, Mika...“, seufzte er, „wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du wärst älter als ich. Und bitte, nenn mich doch endlich Großvater. Ich weiß wirklich nicht, was sich deine Mutter dabei gedacht hat, dir diese Anrede beizubringen. Zu deiner Frage: Der Herrscher hat viele Gesichter. Je nachdem, wen er besucht, erscheint er als weißer Engel, als wütendes Monstrum, oder als erlösender Traum.“
Quan Ying, die Zwillingsschwester von Ming Xhiao, hob nun die Hand: „Vorhin hast du aber gesagt, dass die meisten Leute den Herrscher fürchten, aber ein Engel, oder ein Traum sind doch etwas Schönes, oder nicht?“
Jededaya lächelte. „Ich sehe, ihr passt gut auf. Nun, ich gebe zu, das waren die falschen Worte, denn die Menschen fürchten nicht wirklich ihn, sondern vielmehr das, was seinem Urteil folgt, oder seinem Kommen vorausgeht.“
Quan Ying lachte leise. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wer der Herrscher ist.“, sagte sie.
„Daran zweifle ich nicht.“, sagte der Alte und legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. „Lass mich erst bis zum Ende erzählen, ja?“
„Könntest du mehr von seinen Brüdern und seiner Tochter erzählen? Vielleicht ihre Namen nennen?“, fragte ein kleines Mädchen mit langen, schwarzen Haaren und sehr hoher Stimme. Sie saß auf einem pinkfarbenen Plüschkissen und hatte ihre Beine übereinander geschlagen.
Jededaya räusperte sich. „Was meint ihr denn?“, fragte er lächelnd. „Was meint ihr, wer die Brüder sind und wer die Tochter des Herrschers ist?“
Die Kinder tauschten ratlose Blicke und dachten angestrengt nach.. Nur Jessica, ein kleines, blondes und unscheinbares Mädchen mit einer viel zu dicken Brille hob die Hand. „Ich glaube, ich habe mal gelesen, wer die alle sind.“
„Dann leg mal los, meine Kleine.“, forderte Jededaya sie auf. „Wir sind alle sehr gespannt und wenn du dich irren solltest, denk dir einfach nichts dabei, in Ordnung?“ Er lächelte, als Jessica zu ihm kam und sich auf seine Knie setzte.
„Die Brüder heißen – glaub ich – Hungersnot, Krieg und Pestilenz.“, sagte sie. „Seine Tochter ist die Traurigkeit und der Herrscher selbst ist der Tod.“
Jededaya applaudierte. „Sehr gut, Jessica.“, sagte er, gerade als es an der Tür klopfte und Quan Yings Mutter durch das kleine Türfenster spähte. „Und da das Rätsel nun gelöst ist, geht brav nach Hause, bis zur nächsten Stunde der Geschichten.“
Wenig später, nachdem der Alte die Kinder an ihre Eltern übergeben hatte, war Jededaya allein und ließ sich wieder in seinen Schaukelstuhl sinken. Seine Augenlider waren plötzlich bleischwer.
„Bist du bereit?“, hörte er eine Stimme und öffnete erschrocken die Augen. Vor ihm saß ein Mann von etwa fünfundzwanzig und lächelte ihm zu, während er Jededaya aus tiefen, unergründlichen Augen ansah. „Ich möchte euch danken, Meister Jededaya.“, sagte der Fremde. „Du hast viel für mich getan, doch nun bin ich hier, weil deine Zeit gekommen ist.“
Jededaya stand auf. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren! Aber bitte, erlaube mir eine Frage, mächtiger Herrscher der Anderwelt.“
Der junge Mann nickte, bevor Jededaya fortfuhr: „Werde ich meine Frau wiedersehen?“ Der Tod legte schweigend seinen Arm um die Schulter des Alten und sie gingen durch die Tür, die sich wie von Zauberhand öffnete. Sie traten hinaus und verschwanden im dichten Nebel, der überall zu herrschen schien.
Am folgenden Morgen öffnete Maren, Jededayas Tochter, die Tür zur Wohnung ihres Vaters und als sie ins Wohnzimmer gekommen war, sah sie ihn in seinem Schaukelstuhl sitzen. Sein Kopf war ihm auf die Brust gesunken, doch ein seliges Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Maren brauchte eine Weile, bis sie die Lage erfasst hatte und erst, als sie begriff, was mit ihrem Vater los war, spürte sie den eisigen Griff der Traurigkeit in ihrem Herzen.
Bitter waren die Tränen, die sie weinte, doch auch sie kannte die Geschichten, die er den Kindern der Stadt seit langer Zeit erzählte, und deshalb wusste sie, dass er diesen Moment lang erwartet hatte.
Der Einsame Herrscher
„Es war einsam geworden auf dem Thron der Anderwelt, seitdem die Menschheit begonnen hatte, sich von ihren Göttern und Gottesboten abzuwenden. Den letzten Seraphim-Lord hatte der Ewige Herrscher der anderen Welt – des Jenseits – zu sich gerufen, um dem Alptraum der ewigen Einsamkeit zu entrinnen, und der junge Engel war ihm zutiefst dankbar.
Der Herrscher sinnierte traurig über sein Leben, während er sein Spiegelbild auf der Oberfläche des Rotweins betrachtete, der auf dem Tisch im Schein des Feuers schimmerte.
Er war der Älteste von insgesamt vier Brüdern und obwohl er seit dem Anbeginn der Ewigkeit lebte, schien es, als hätte sein Alter mit fünfundzwanzig aufgehört, voranzuschreiten.
Was ihn von seinen Brüdern aber am Meisten unterschied, war die Tatsache, dass er alle Menschen gleich behandelte, denn weder Reichtum, noch Fürbitten Anderer konnten ihn umstimmen, wenn er einmal sein Urteil gefällt hatte. Und das Urteil war immer das Gleiche.
Im Laufe der Äonen wurden seine Brüder ihm und den Menschen immer verhasster und obwohl die Menschheit den Herrscher fürchtete und ewig fürchten wird, gab es doch einige Menschen, die ihm und seinem Urteil mit Freuden entgegensahen, ja ihn sogar willentlich herbeiriefen.“ Der alte Jededaya holte tief Luft und wollte gerade weitererzählen, als eines der Kinder vor ihm die Hand hob.
Der Alte nickte dem kleinen, chinesischen Mädchen zu. „Hatte der Herrscher denn keine Familie? Keine Kinder?“, fragte sie. „Er ist doch alt genug, oder?“
Jededaya hatte während der Frage einen Vogel draußen auf dem Fenstersims beobachtet und lachte nun kurz auf. „Du musst Ming Xhiao sein.“, sagte er. „Deine Mutter hat mich auf solche Fragen deinerseits schon vorbereitet.“ Er zwinkerte ihr hinter den Gläsern seiner rechteckigen Brille zu, bevor er fortfuhr.
„Nun“, sagte er, „der Herrscher hatte tatsächlich eine Tochter; eine junge Frau, die nicht viel jünger wirkte, als ihr Vater. Sie berührt die Herzen der Menschen, nachdem ihr Vater sein Urteil gefällt hat.“
Ein kleiner Junge, der ganz hinten in der Gruppe saß, stand auf, damit Jededaya ihn sehen konnte. „Meister Jededaya“, sagte der Junge. „Was sind das für Menschen, die der Herrscher verurteilt?“
Der Alte nahm seine Brille ab und polierte die Gläser mit dem Einstecktuch seines Jacketts. „Diese Frage ist schnell beantwortet: Es trifft Jeden; mich, meine Kinder und irgendwann in der Zukunft wird er auch euch holen.“
Ein Mädchen brach in Tränen aus und Jededaya war klar, dass diese Antwort für Kinder zwischen fünf und sieben Jahren etwas zu hart gewesen sein mochte. Er erhob sich aus seinem Schaukelstuhl und ging auf das Mädchen zu. Er nahm es auf den Arm und musste kurz nach den richtigen Worten suchen.
„Du musst keine Angst haben, Yashodara.“, sagte der Alte ruhig. „Bis es soweit ist, vergehen noch viele, viele Jahre und auch, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wird er dir nichts Böses tun. Er nimmt dich mit in seine Welt.“
Das kleine Mädchen beruhigte sich, und so setzte Jededaya sie wieder ab. Er kehrte in seinen Schaukelstuhl zurück, wo er einen Augenblick nachdachte.
„Wie gesagt“, fuhr er mit rauer Stimme fort, „wen die Menschen wirklich hassten, waren seine drei Brüder, die sich inzwischen selbst zu Hohen Fürsten der Anderwelt erhoben hatten.
Auch der Herrscher war nicht gut auf seine Brüder zu sprechen, denn wann immer das Trio der Fürsten – ob nun zusammen, oder jeder allein – seine Macht in der Menschenwelt walten ließ, war es der Herrscher, der ihnen folgen musste, um das Leiden der Menschen zu beenden.“
Wieder stand der Junge auf, der schon einmal eine Frage gestellt hatte: „Meister Jededaya, erlaubt ihr mir die Frage, welches Aussehen der Herrscher hat?“
Der Alte senkte den Kopf. „Mika, Mika, Mika...“, seufzte er, „wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du wärst älter als ich. Und bitte, nenn mich doch endlich Großvater. Ich weiß wirklich nicht, was sich deine Mutter dabei gedacht hat, dir diese Anrede beizubringen. Zu deiner Frage: Der Herrscher hat viele Gesichter. Je nachdem, wen er besucht, erscheint er als weißer Engel, als wütendes Monstrum, oder als erlösender Traum.“
Quan Ying, die Zwillingsschwester von Ming Xhiao, hob nun die Hand: „Vorhin hast du aber gesagt, dass die meisten Leute den Herrscher fürchten, aber ein Engel, oder ein Traum sind doch etwas Schönes, oder nicht?“
Jededaya lächelte. „Ich sehe, ihr passt gut auf. Nun, ich gebe zu, das waren die falschen Worte, denn die Menschen fürchten nicht wirklich ihn, sondern vielmehr das, was seinem Urteil folgt, oder seinem Kommen vorausgeht.“
Quan Ying lachte leise. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wer der Herrscher ist.“, sagte sie.
„Daran zweifle ich nicht.“, sagte der Alte und legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. „Lass mich erst bis zum Ende erzählen, ja?“
„Könntest du mehr von seinen Brüdern und seiner Tochter erzählen? Vielleicht ihre Namen nennen?“, fragte ein kleines Mädchen mit langen, schwarzen Haaren und sehr hoher Stimme. Sie saß auf einem pinkfarbenen Plüschkissen und hatte ihre Beine übereinander geschlagen.
Jededaya räusperte sich. „Was meint ihr denn?“, fragte er lächelnd. „Was meint ihr, wer die Brüder sind und wer die Tochter des Herrschers ist?“
Die Kinder tauschten ratlose Blicke und dachten angestrengt nach.. Nur Jessica, ein kleines, blondes und unscheinbares Mädchen mit einer viel zu dicken Brille hob die Hand. „Ich glaube, ich habe mal gelesen, wer die alle sind.“
„Dann leg mal los, meine Kleine.“, forderte Jededaya sie auf. „Wir sind alle sehr gespannt und wenn du dich irren solltest, denk dir einfach nichts dabei, in Ordnung?“ Er lächelte, als Jessica zu ihm kam und sich auf seine Knie setzte.
„Die Brüder heißen – glaub ich – Hungersnot, Krieg und Pestilenz.“, sagte sie. „Seine Tochter ist die Traurigkeit und der Herrscher selbst ist der Tod.“
Jededaya applaudierte. „Sehr gut, Jessica.“, sagte er, gerade als es an der Tür klopfte und Quan Yings Mutter durch das kleine Türfenster spähte. „Und da das Rätsel nun gelöst ist, geht brav nach Hause, bis zur nächsten Stunde der Geschichten.“
Wenig später, nachdem der Alte die Kinder an ihre Eltern übergeben hatte, war Jededaya allein und ließ sich wieder in seinen Schaukelstuhl sinken. Seine Augenlider waren plötzlich bleischwer.
„Bist du bereit?“, hörte er eine Stimme und öffnete erschrocken die Augen. Vor ihm saß ein Mann von etwa fünfundzwanzig und lächelte ihm zu, während er Jededaya aus tiefen, unergründlichen Augen ansah. „Ich möchte euch danken, Meister Jededaya.“, sagte der Fremde. „Du hast viel für mich getan, doch nun bin ich hier, weil deine Zeit gekommen ist.“
Jededaya stand auf. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren! Aber bitte, erlaube mir eine Frage, mächtiger Herrscher der Anderwelt.“
Der junge Mann nickte, bevor Jededaya fortfuhr: „Werde ich meine Frau wiedersehen?“ Der Tod legte schweigend seinen Arm um die Schulter des Alten und sie gingen durch die Tür, die sich wie von Zauberhand öffnete. Sie traten hinaus und verschwanden im dichten Nebel, der überall zu herrschen schien.
Am folgenden Morgen öffnete Maren, Jededayas Tochter, die Tür zur Wohnung ihres Vaters und als sie ins Wohnzimmer gekommen war, sah sie ihn in seinem Schaukelstuhl sitzen. Sein Kopf war ihm auf die Brust gesunken, doch ein seliges Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Maren brauchte eine Weile, bis sie die Lage erfasst hatte und erst, als sie begriff, was mit ihrem Vater los war, spürte sie den eisigen Griff der Traurigkeit in ihrem Herzen.
Bitter waren die Tränen, die sie weinte, doch auch sie kannte die Geschichten, die er den Kindern der Stadt seit langer Zeit erzählte, und deshalb wusste sie, dass er diesen Moment lang erwartet hatte.